Bremer Fernsehpreis 2023


Bremer Fernsehpreis 2023

Die Gewin­ne­rin­nen und Gewin­ner des Bre­mer Fern­seh­prei­ses 2023 ste­hen fest: Am 10. Novem­ber erhiel­ten neun Pro­duk­tio­nen die begehr­ten Aus­zeich­nun­gen des Regio­nal­wett­be­werbs der ARD.

Regio­nale Bericht­erstat­tung ist das Herz­stück der ARD – und der Bre­mer Fern­seh­preis zeigt ein­drucks­voll, wie stark der Infor­ma­ti­ons­ge­halt und die Gestal­tung unse­res viel­fäl­ti­gen Ange­bots ist. Ich gra­tu­liere allen Gewin­ne­rin­nen und Gewin­nern und danke ihnen für ihre her­aus­ra­gende Arbeit.

Yvette Ger­ner, Gast­ge­be­rin des Bre­mer Fern­seh­prei­ses und Inten­dan­tin von Radio Bremen

Regio­na­li­tät ist unsere DNA als ARD! Denn der Blick in die Welt ist ohne Zwei­fel wich­tig. Doch nur wer ver­steht, was vor sei­ner Türe pas­siert, kann mit­re­den und unsere Gesell­schaft und Demo­kra­tie mit­ge­stal­ten. Für diese wert­volle Arbeit wer­den die Gewin­ne­rin­nen und Gewin­ner des Bre­mer Fern­seh­prei­ses aus­ge­zeich­net. Ich gra­tu­liere ihnen herzlich. 

Kai Gniffke, ARD‐Vorsitzender und SWR‐Intendant

Die unab­hän­gige Experten‐Jury des Bre­mer Fern­seh­prei­ses 2023 mit dem Vor­sit­zen­den Frank Plas­berg kürte bei der Preis­ver­lei­hung im Radio Bremen‐Studio:

In der Kate­go­rie “Bes­ter Bei­trag “Aktu­el­les””: Drama im Klein­gar­ten, Lokal­zeit aus Dort­mund, 28. Mai 2023, WDR Dortmund

“Kampf um die Meis­ter­schaft. Mag ja sein, im Sta­dion des BVB ist die Hölle los. Aber WDR‐Autor Olaf Tack hat den bes­se­ren Dreh­ort gewählt: Denn so rich­tig ab geht’s im Klein­gar­ten. Wenn sich Klein­gärt­ne­rin Marion Bukow­ski auf ihren Rasen wirft, wenn sie „Scheiße, Scheiße“ schreit oder „Ich hab‘s gewusst, ich hab‘s gewusst“, paa­ren sich hier Fußball‐Know How und krasse Emo­tio­nen. Und die Kamera ist in den ent­schei­den­den Momen­ten immer dabei. Denn: Der Bewe­gungs­drang der Klein­gärt­ner ist an die­sem Tag offen­sicht­lich höher als der ihrer BVB‐Helden. Olaf Tack erzählt dra­ma­tur­gisch span­nend und ver­folgt kon­se­quent eine ori­gi­nelle Erzähl­idee.” (Lau­da­tio von Andreas Jölli) 

In der Kate­go­rie “Beste Leis­tung vor der Kamera”: Schal­ten aus Freu­den­berg, Aktu­elle Stunde, 13. März 2023, WDR Köln

“Grö­ßer kann die Her­aus­for­de­rung für eine Repor­te­rin nicht sein: Etwas schil­dern, was nie­mand so recht begrei­fen kann, über Men­schen, die nicht mit Jour­na­lis­ten spre­chen wol­len in einem Ort, der erstarrt ist vor Schre­cken. Und doch bekom­men wir durch Astrid Hou­ben eine Ahnung davon, was es bedeu­tet, wenn ein zwölf­jäh­ri­ges Mäd­chen aus der Nach­bar­schaft von Gleich­alt­ri­gen getö­tet wird. Bei der Trau­er­feier sind wir durch die Repor­te­rin dabei, obwohl Kame­ras ver­bo­ten sind. Es sind ihre Schil­de­run­gen, die Bil­der erzeu­gen. Wir erle­ben Astrid Hou­ben weder distanz­los noch als abge­klärte Jour­na­lis­tin, die schon alles gese­hen hat. Hier kom­men zwei Fähig­kei­ten zusam­men: Fein­ge­fühl und exzel­len­tes jour­na­lis­ti­sches Hand­werk.” (Lau­da­tio von Gesa Eberl) 

In der Kate­go­rie “Bes­tes cross­me­dia­les Regional‐Projekt”: NDR auf’m Land, NDR auf’m Land, 14. Novem­ber 2022, NDR Hamburg

“Wuss­ten Sie, dass man­che Puten gerne sin­gen? Und dass es junge Frauen Anfang 20 gibt, die nicht davon träu­men, Influen­ce­rin zu wer­den, son­dern für ihr Leben gern Tre­cker fah­ren? Falls ja, gehö­ren sie mut­maß­lich zur treuen Fan­ge­meinde des NDR‐Formats “Auf’m Land”. Das Pro­duk­ti­ons­team hat sich offen­bar auf die Fah­nen geschrie­ben, das gesamte Sen­de­ge­biet zu durch­kreu­zen, um das Land­le­ben in all sei­nen Aus­prä­gun­gen abbil­den zu kön­nen — auch wenn der Pkw dabei manch­mal in der Fahr­rinne des Tre­ckers ste­cken bleibt, wenn man nicht auf seine Prot­ago­nis­tin hört … Aber zuhö­ren kann das Team schon wun­der­bar, vor allem gibt es einen regen Aus­tausch mit der Com­mu­nity, wie man anhand der zahl­rei­chen Kom­men­tare auf ver­schie­de­nen Platt­for­men sehen kann: “Auf’m Land” gibt’s wöchent­lich auf You­Tube, fast täg­lich auf Insta­gram und Face­book, in der Media­thek und im Fern­se­hen und neu­er­dings sogar zum Mit­ma­chen: Da dür­fen Fans sogar Gast sein auf einem der Höfe aus den Sen­dun­gen. Damit schaf­fen die Macher genau das, was öffentlich‐rechtliche Arbeit aus­zeich­net: regio­nale Ver­bun­den­heit und Reprä­sen­ta­tion, mit viel Liebe zu ihren Prot­ago­nis­ten.” (Lau­da­tio von Clare Devlin) 

In der Kate­go­rie “Beste inves­ti­ga­tive Leis­tung”: Rechts­extre­mis­mus an Schule in Burg, Bran­den­burg aktu­ell, 25. April 2023, rbb Brandenburg

“Das ist eine jour­na­lis­ti­sche Leis­tung: Eine angst­volle Stim­mung durch­bre­chen, ver­ängs­tigte Men­schen zum Reden brin­gen, Straf­ta­ten bun­des­weit bekannt machen. Beson­ders, wenn öffent­lich wer­den soll, was so man­cher gerne ver­ber­gen will: dass es Rechts­extre­mis­mus gibt. Noch dazu an einer Schule. In dem klei­nen Ort Burg, wie das Repor­ter­team des rbb Bran­den­burg her­aus­fin­det. Die Redak­tion von Bran­den­burg aktu­ell reagiert sofort, als ein anony­mer Brand­brief erscheint und erste Hin­weise gibt. Der rbb recher­chiert lange und hart­nä­ckig. Das Ergeb­nis: Es ist haar­sträu­ben­der als gedacht. Und: Burg ist kein Ein­zel­fall. Die­je­ni­gen, die hem­mungs­los den Hit­ler­gruß zei­gen, sind an vie­len Schu­len zu Wort­füh­rern gewor­den — nicht nur in Burg. Dank des rbb kom­men auch die letz­ten Zweif­ler und Beschö­ni­ger daran nicht mehr vor­bei.” (Lau­da­tio von Hans Helmich) 

In der Kate­go­rie “Bes­tes regio­na­les Streaming‐Format”: Feuer & Flamme, 9. Januar 2023, WDR Köln

“Manch­mal treffe ich mich auch mit Freun­den, die keine Jour­na­lis­ten sind. Und die emp­feh­len mir dann auch mal Serien oder Dokus – auf Net­flix, auf Ama­zon Prime und zuletzt auch mal aus der ARD Media­thek. Bei der Frei­wil­li­gen Feu­er­wehr in Hamburg‐Ottensen gibt es nun seit eini­ger Zeit gemein­same Fern­seh­abende – und was läuft da? Klar: “Feuer & Flamme”. Mit die­sem Streaming‐Format hat der WDR etwas wirk­lich Sel­te­nes geschafft: einen vira­len Hit, der vom Erzie­her bis zur Gra­fik­de­si­gne­rin quer durch alle Milieus hin­weg Men­schen fes­selt – und sich nicht vor ande­ren Strea­ming­diens­ten ver­ste­cken muss. Was da alles an Kame­ras für die Pro­duk­tion auf­ge­fah­ren wird, ist natür­lich beein­dru­ckend. Aber allein das macht die­ses For­mat nicht aus. Es ist das haut­nahe Mit­er­le­ben durch die Body­cams und gekonnte Kom­po­si­tion, wenn Feu­er­wehr­mann Chris­tian Händ­chen hält mit einer alten Dame, bevor er sie aus ihrer ver­rauch­ten Woh­nung trägt. Dass wir die Original‐Notrufe zu hören bekom­men und uns die Arbeit der Ein­satz­kräfte von ihnen selbst geschil­dert wird. Manch­mal müs­sen wir gar nicht so lange nach der per­fek­ten Hel­den­ge­schichte suchen. Son­dern nur best­mög­lich erfahr­bar machen, wie die Arbeit unse­rer All­tags­hel­den aus­sieht.” (Lau­da­tio von Inga Mathwig) 

In der Kate­go­rie “Wor­auf wir beson­ders stolz sind”: Wer pflegt Mama?, buten un bin­nen, 28. Juli 2022, Radio Bremen

“Manch­mal reicht nur ein kur­zer Blick in die Kamera. Als sie dabei zuschaut, wie ihre Prot­ago­nis­tin San­dra deren demente Mut­ter die Treppe hoch­bringt, zur Toi­lette beglei­tet oder duscht, feh­len Radio‐Bremen‐Reporterin Lena Oldach manch­mal die Worte. Und trotz­dem erzäh­len ihre Bli­cke so viel: die Gedan­ken an die eigene Mut­ter, die Über­for­de­rung, die Sorge. Sel­ten sehen wir Bei­träge, die so scho­nungs­los ehr­lich sind. Die uns wirk­lich zei­gen, was ist. Was es bedeu­tet, seine Ange­hö­ri­gen häus­lich zu pfle­gen. Die Autorin geht noch einen Schritt wei­ter: Sie bespricht die Mög­lich­keit der Pflege mit ihrer eige­nen Mut­ter, zeigt ihr das eigene Dreh­ma­te­rial – und lässt uns alle daran teil­ha­ben. Es sind intime Momente, die wir mit den Frauen tei­len. Dabei füh­len wir uns den­noch nie als Voy­eure. Denn auch das schafft Oldach: die Für­sorge und Liebe für­ein­an­der abzu­bil­den, ohne jeg­li­chen Kitsch. Dafür sorgt auch die Kame­ra­ar­beit, die die inti­men Sze­nen behut­sam ein­fängt und sich in den wich­ti­gen Momen­ten Zeit und Ruhe nimmt.” (Lau­da­tio von Gesa Eberl) 

„Son­der­preise der Jury“: Feu­er­kin­der – Über Leben nach der Kata­stro­phe, 20. Februar 2023, SWR Baden‐Baden

“Wir waren uns alle einig, dass wir die Autoren die­ser Doku‐Reihe, Gülse­ren Sen­ge­zer und Ekki Wet­zel, heute nicht ohne Aus­zeich­nung nach Hause gehen las­sen wol­len. Sie haben es geschafft, das zu erzäh­len, was sich eigent­lich kaum erzäh­len lässt: Wie lebt ein Mensch wei­ter, der den abso­lu­ten Alp­traum durch­lit­ten hat? Kamil Kaplan ver­liert bei einem Brand am Fast­nachts­sonn­tag fast seine gesamte Fami­lie. Seine Frau, seine zwei Töch­ter und seine Mut­ter ster­ben. Sei­nen Nef­fen Onur kann er noch in die Arme des Poli­zis­ten Uwe Reu­ber fal­len las­sen. 15 Jahre spä­ter erzäh­len die Autoren des SWR die Geschich­ten der Über­le­ben­den. Den Autoren gelingt es, ein tie­fes Ver­trauen zu den Prot­ago­nis­ten auf­zu­bauen. Dadurch gewin­nen wir unge­schönte Ein­bli­cke in ihre Leben und erfah­ren, wie ein Trauma bis in die Gegen­wart wirkt. Aber auch, wie Freund­schaft dabei hel­fen kann, damit wei­ter­zu­le­ben. Diese sehr per­sön­li­chen Schick­sale ver­knüpft das Autoren­team gekonnt mit ihrer poli­ti­schen Dimen­sion: wie ver­schie­dene Akteure, dar­un­ter der tür­ki­sche Minis­ter­prä­si­dent Erdo­gan, ver­su­chen, das Schick­sal Kaplans zu instru­men­ta­li­sie­ren.” (Lau­da­tio von Inga Mathwig) 

„Son­der­preise der Jury“: Die Abschluss­klasse, hes­sen­schau, 1. Mai 2023, hr Frankfurt

“Sie sind die Hel­den die­ser Serie: Haupt­schü­ler. Und wenn wir ehr­lich sind, ist das im öffentlich‐rechtlichen Rund­funk eine Sel­ten­heit. Also ein Preis dafür, dass hier end­lich mal arme Unter­re­prä­sen­tierte zu Wort kom­men? Ja. Aber das hier ist kein „Küm­mern wir uns mal‐TV“. Hier geht es um die Schü­ler Nils, Elme­din und Valen­tino, deren Träume, Ängste und Frus­tra­tion wir ken­nen­ler­nen. Wir fie­bern mit: Wer­den sie ihren Abschluss schaf­fen? Das Autoren­team Bir­git Som­mer und Rick Gajek haben ein tem­po­rei­ches Drama geschaf­fen. Über Hel­den, die schei­tern und sie­gen, über Leh­rer, die Alles geben, aber auch wis­sen, es ist nicht genug. Es geht aber auch um unser Bil­dungs­sys­tem, das Haupt­schü­lern zu häu­fig nicht gerecht wird.” (Lau­da­tio von Hans Helmich) 

Außer­dem wurde zum zwei­ten Mal beim Bre­mer Fern­seh­preis der Publi­kums­preis “Nah dran” ver­lie­hen. Vom 1. bis 28. Sep­tem­ber 2023 konn­ten Inter­es­sierte für ihre Favo­ri­ten aus ins­ge­samt 28 Pro­duk­tio­nen abstim­men – mehr als 10.000 Men­schen haben sich an der Abstim­mung auf www.bremerfernsehpreis.de beteiligt.

Publi­kums­preis “Nah dran”: Sau­ber­män­ner, Lan­des­schau Baden‐Württemberg, 17. August 2022, SWR Stuttgart

Durch die Preis­ver­lei­hung führte der Jury­vor­sit­zende Frank Plas­berg, unter­stützt und beglei­tet von Yvette Ger­ner, Radio Bremen‐Intendantin, und Jan Wey­rauch, Radio Bremen‐Programmdirektor.

Henry and the Wai­ter, Indiepop‐Künstler aus Frank­furt am Main und vor kur­zem für den ARD‐Wettbewerb “New Music Award 2023” nomi­niert, war der musi­ka­li­sche Gast des Abends.

Zuvor fand am Nach­mit­tag das Werk­statt­ge­spräch in Zusam­men­ar­beit mit der ARD.ZDF medi­en­aka­de­mie statt – dies­mal mit dem Schwer­punkt „Ein­satz von künst­li­cher Intel­li­genz im Regionalen“.